In der DDR war die (staatliche) Forstwirtschaft immer auch ein Spiegel der aktuellen Politik. Von Anfang an war die DDR-Regierung darauf bedacht, möglichst staatstreue Förster zu „erziehen“. Wenn man auch in den Jahren unmittelbar nach dem 2. Weltkrieg noch auf die „alte Schule“ derer zurückgreifen musste, die im Kaiserreich, der Weimarer Republik oder im Dritten Reich ihre Ausbildung absolviert hatten, so versuchte man spätestens ab Mitte der 1950er Jahre, die „bürgerlichen Elemente“ Schritt für Schritt aus der Forstwirtschaft zu verdrängen und durch staatsnahes Personal, das bereits die Forstschulen der neuen politischen Linie durchlaufen hatte, zu ersetzen. Dies ist ganz eindeutig auch in der damaligen Literatur der DDR-Forstwirtschaft niedergeschrieben worden.
Das „Arbeitsprogramm zur breiten Einführung des technisch-wissenschaftlichen Fortschritts in der Forstwirtschaft und zur Erschließung aller volkswirtschaftlichen Reserven der Wälder“ (beschlossen auf der II. Zentralen Konferenz der Forstwirtschaft vom 10. bis 12. Februar 1956) ist in seiner politischen Aussage eindeutig.
Es wurde für die forstliche Ausbildung de facto eine Quote für Kinder aus Arbeiter- und Bauernfamilien eingeführt; Kinder aus Akademiker-Familien wurden – politisch gewollt – benachteiligt. Sehr viel Wert wurde auf die politisch-ideologische Erziehungsarbeit gelegt (umgangssprachlich gelegentlich auch als „Rotlicht“ bezeichnet). Die Maßnahmen zielten letztlich darauf ab, politisch genehme Forstleute in allen Positionen der staatlichen Forstwirtschaft zu etablieren. In diesem Punkt unterschied sich die DDR somit nicht vom Kaiserreich oder vom Dritten Reich, denn seinerzeit wollte man auch dort staatstreue Förster.
Auch spielte seinerzeit das angespannte Verhältnis der DDR zur Bundesrepublik eine wesentliche Rolle im politischen Alltag. Fast jedes Forstbuch aus den späten 1940er und den 1950er Jahren, das in der DDR erschien, widmete sich zumindest in Teilen diesem Thema, so auch in diesem Buch:
Stets wurden Vergleiche zwischen DDR und Bundesrepublik gezogen. Die teils scharfe Rethorik ließ in den folgenden Jahrezehnten allerdings deutlich nach, und in Büchern aus den späteren 1960er Jahren waren solche Passagen dann größtenteils verschwunden.
Interessant sind in diesem Buch auch die Ausführungen zu forstlichen Nebennutzungen. Auch heute versuchen viele Forstbetriebe, neben dem Holz neue Einnahmequellen zu erschließen. Im Vergleich zur aktuellen Entwicklung wirken die Vorschläge aus Mitte der 1950er Jahre fast schon humoristisch.
Letztlich ist das ein sehr lesenswertes Dokument, das sehr viel über den damaligen Zeitgeist aussagt. Auch heute habe ich manchmal das Gefühl, eine Zeitenwende in der Forstwirtschaft verfolgen zu können – oder zu müssen. Heute sind die Stichworte eher Stilllegung, Kohlenstoffspeicherung, Klimawandel oder Windkraft im Wald.